1962

Nessenreben, ein ehemaliger Erholungsort des Klosters Weingarten
Nessenreben, im Verzeichnis der Klostergüter bereits 1143 unter dem Namen nazcahe (d.h. sumpfiger Abhang) aufgeführt, diente als Sommeraufenthalt des Weingartener Konvents und wurde bis zur Säkularisation im Jahre 1802/03 immer stärker als Rekreationsstätte der Benediktinermönche ausgebaut. Noch heute vermittel der Hof den Eindruck einer kleinen Schloßanlage. Im Jahre 1575 wurde die kleine Kapelle zum hl. Wendelin nördlich der Domäne errichtet, von der heute jedoch nichts mehr erhalten ist.


Über dem beschaulichen Ort findet sich im Reisetagebuch des Salzburger Benediktinerpaters Constantin Stampfer aus dem Jahre 1784 folgende Beschreibung, die manchem Weingartener in etwas abgeänderter Form aus dem Heimatbuch bekannt sein dürfte. Dem Verfasser liegt allerdings sehr daran, dem Leser den Originalwortlaut zu vermitteln, in welchem der Eindruck des Paters noch besser zum Ausdruck kommt: „Nachmittags gingen wir mit dem P. Kuchelmeister (Küchenmeister) in das Rekreationsgebäude Nessenreben, wo sich die Herren vom Konvent, wenn sie Ader lassen, befinden und aufhalten. Diese halbe Stunde vom Kloster entfernte Schloß hat die schönste, natürlichste Lage, die man sich nur einbilden kann. Das Gebäude selbst ist sehr gut und schön eingerichtet, auch mit einer schönen Kapelle versehen. Um dieses herum liegt ein Garten, teils mit Springbrunnen belebt, teils mit Alleen und Obstbäumen ausgeziert. Den Garten von der Ost- und Südseite umgibt ein angenehmer Wald. Auch im Sommer ist man durch die hohen Bäume von der Hitze geschützt. Ein gleichlaufender kleiner Bach (der stille Bach) macht den Spaziergang noch angenehmer, der bald langsam und sachte fortrieselt, bald über kleine Anhöhen herabglitscht. Zu beiden Seiten ist er selber teils mit Linden, teils mit Gesträuch besetzt und verschafft den angenehmsten Spaziergang zumalen für Liebhaber der Einsamkeit und des Nachdenkens. Am Ende des Waldes steht auf einem Hügel ein ´Vogelthenn` (Vogelvoliere) und unweit davon ein Teich. Kurzum! würde man diese Gegend nur ein klein wenig durch Kunst und Bemühung unterstützen, so müsste es den artigsten englischen Garten vorstellen. Nachdem wir über eine Stunde alles dieses mit inniglichem Vergnügen durchspaziert, kehrten wir in das Sommergebäude zurück und unterhielten uns mit einem Spiele. Der Unterhalt ward vom Kloster mitgebracht. Abends machten wir noch einen kurzen Spaziergang, gingen um 6 Uhr zur Abendtafel und bald zur Ruhe“.

Quelle Landesarchiv

Nessenreben erfreut sich also schon früher großer Beliebtheit.
Ein Karte aus dem 18. Jahrhundert zeigt von Nessenreben folgendes Bild: Während zwischen den beiden Stallungen drei Teiche mit Springbrunnen hintereinander lagen, wurde das Schlösschen von vier symetrisch angelegten Teichen umgeben, die ihr Wasser von einer Abzweigung des Stillen Baches erhielten. Am Ausgang des Waldes gelangte sie in eine Steingrotte, in der sich zusätzlich eine Quelle befand. In einer Urkunde aus dem Jahre 1477 wird diese Stelle als „Brunnen Esch“ bezeichnet. Solche Grotten erfreuten sich bis in das 20. Jahrhundert hinein in der Weingartener Umgebung großer Beliebtheit. Eine besondere Faszination muß die Steingrotte Nessenreben auf die geistliche Besucher ausgeübt haben. Eine zweite Grotte befand sich in der Klosteranlage selbst. Direkt am Waldrand stand das Aderlaßhaus, in dem verschiedene medizinische Heilmethoden angewandt worden sein müssen. Von dem benediktinischen Wissenschaftler Beda, dem Ehrwürdigen ( +735) gibt es ein lange Zeit gültiges Lehrwerk mit dem Titel „De minutione sanguinis“, in dem er für den Aderlaß sich eignenden Venen und Jahreszeiten beschrieb. Die notwendigen Blutegel wurden in den nahegelegenen Weihern von eigens angestellten Blutegelfängern gesammelt.

Das Allheilmittel der damaligen Zeit fand sich jedoch im Stillen Bach zwischen Rösslerweiher und Nessenreben selbst: der Krebs. Es wurden sämtliche Teile des Scherentieres zur Heilung von Leiden aller Art eingesetzt. Die Krebse wurden entweder roh zerstoßen oder gekocht dem Kranken dargereicht. Ihr Genuß galt insbesondere als probates Mittel gegen melancholische Stimmungen. Dabei nahm man an, dass sich die Wirkung des Krebspulvers steigerte, wenn das Tier aus einem Wasser mit großer Strömungsgeschwindigkeit stammt. Folglich schätzte man in diesem klösterlichen Rekreationsort die Krebse aus dem Stillen Bach zwischen dem Durchstich und den unterhalb von Nessenreben befindlichen „Froschweyerlin“ ganz besonders. Das Gefälle beträgt hier immerhin durchschnittlich 3 %. Heute wird man jedoch im Stillen Bach kaum auf viele Krebse stoßen, da die Wasserqualität in den letzten Jahren nachgelassen hat. Ältere Weingartener erinnern sich aber noch an die Zeit, als französische Besatzungssoldaten kurz nach Kriegsende den Krebsen im Bach mit Konservendosenfallen nachstellten.


Im Jahre 1885 baute man den oberen Froschweiher unterhalb Nessenreben zur „Militärbade- und Schwimmanstalt des Infanterie-Regiments Kaiser Wilhelm, König von Preußen“ aus und nutzte ihn zusätzlich als Hälterteich. Im Winter diente er als Eisweiher für Weingartener Brauerreien. So stellte am 4. Januar 1891 des Nessenrebener Gutsverwalter Maucher dem Gastwirt Landthaler „zur Stadt“ eine Rechnung über 45,50 M für dreizehn Wagen zugeliefertes Eis a´3,50 M aus. Im übrigen sei noch erwähnt, dass Herr Landthaler 60 M von der Stadt Weingarten rückvergütet bekam, da er den Bierausschank beim Kinderfest zu vollster Zufriedenheit ausführte. Ein in Tat gutes Geschäft!
Als nach dem ersten Weltkrieg die Garnison Weingarten aufgelöst wurde, richtete man am oberen Froschweiher das städtische Freibad ein, dessen Vorläufer sich ebenfalls am Stillen Bach in der Nähe der Wileneggstrasse in Weingarten befanden. Vor wenigen Jahren wurde das Bad von Grund auf modernisiert. Dabei wurde ein Abzweig des Stillen Baches zu einem Wärmetauscher geleitet. Dieses Aggregat entzieht dem Bachwasser Wärmeenergie, die das Badebecken beheizt. Das um wenige Grade abgekühlte Bachwasser fließt dem Mahlweiher zu, in den auch der Hauptarm des Stillen Baches einmündet, der den Freibadbereich oberirdisch quert. Bei geringer Wasserführung des Kanals kann der Wasserbedarf des Austauschers auch dem Mahlweiher entnommen werden. Auf diese Weise spart die Stadt Weingarten erhebliche Energiekosten gegenüber der ursprünglich geplanten Wärmegewinnung mit Hilfe von Gas.
Der Mahlweiher staut schließlich den Stillen Bach für die Wassertriebwerke in Weingarten auf. Zur Zeit der klösterlichen Teichwirtschaft diente er zusätzlich als zweiter Froschweiher der Domäne Nessenreben. Bis zum Jahre 1910 lief der Stille Bach als Mühlbach durch den Tobel unterhalb der L 317 der Sägerei Habisreutinger zu. Seit der Inbetriebnahme der unterirdischen Druckrohrleitung des Sägewerks nimmt der Tobel nur noch das Rinnsal vom Krebser Hölzchen und das Überreich des Mahlweiher auf.
Zu Beginn des Jahres 1983 konnte die seit längerer Zeit geplante Entschlammung des Mahlweiher durchgeführt werden. Die Entnahme von ca. 6000 Kubikmeter Schlamm wurde nötig, da das Fassungsvermögen dieses Regulierbeckens im Laufe der Zeit durch die Einschwemmung von Sand und Blättern immer geringer wurde. Dadurch ergab sich die Schwierigkeit, dass der zwölfstündige Betrieb der Weingartener Wassertriebwerke wegen Wassermangels nicht mehr gewährleistet werden konnte. Der Mahlweiher, der als Staubecken unmittelbar den Triebwerken vorgeschaltet ist, durfte jedoch für die Backerarbeiten nicht abgelassen werden. Aus diesem Grunde bediente man sich eines Bootes, über das der Schlamm durch ein Rohr abgesaugt und zu einem Aufnahmebecken am Rande des Standortübungsplatzes befördert wurde. Hier setzte sich der Schlamm ab, während das mitgeführte Wasser durch ein zweites Rohr dem Mahlweiher wieder zufließen konnte.

2018