Ergänzungen zur Familie Marlene & Richard Quaas –

Erinnerungen Hans-Rainer

Ende Februar 1945 wurden wir von Potsdam-Babelsberg nach Konstanz evakuiert . Es war eine dreitägige Zugfahrt in einem überfüllten Zug, der nur nachts fuhr, wegen der Tieffliegerangriffe. Die Versorgungslage in Konstanz war wesentlich schlechter als in Berlin bzw. Potsdam. Papi kam am 20. April 1945 auf abenteuerlichem Weg von Berlin kommend, über Karlsbad, Straubing, München und Lindau nach Konstanz – kurz bevor Konstanz von den Franzosen besetzt wurde. Zuerst wohnten wir im Landratsamt bei Kaufmanns (Onkel Fritz/Landrat und Tante Gertie). Außerdem war Gertrud, das Hausmädchen aus Berlin noch einige Zeit bei uns. Als die Franzosen dann Konstanz besetzt hatten, war es schwierig Wohnraum zu bekommen. Wir sollten in eine Baracke außerhalb Konstanz ziehen und mussten Konstanz auf Anordnung verlassen. Unsere Mutter fuhr nach dem Dillmannshof und wurde von der Tante (Oma), Onkel Karl und Tante Resle gut aufgenommen. Das ist Verwandtschaft, da muss man helfen!

Resle, Karl, – , Lenz, Valentin, Matheis 1943

Papi fuhr dann noch einige Wochen zur Arbeit zum Dillmannshof (man war zu dieser Zeit froh helfende Hände zu haben, da viele Männer noch in Gefangenschaft waren bzw. auf dem Feld blieben. Unser Vater kam dann im September mit der erlösenden Mitteilung, dass wir kommen können und im Ziegelhaus wohnen können.

Das Haus rechts hinter dem Kamin war unser Wohnhaus.

Unsere Familie (Marlene und Richard Quaas) mit vier Kindern – Angelica, Irina (Spatz), Marion, Hans-Rainer (Bubi) zeitweise fünf Kindern (Helga), lebten von November 1945 bis zu Frühjahr 1952 auf dem Dillmannshof in dem Ziegelhaus an der Schussen. Danach bis Herbst 1955 in Friedrichshafen, Karlstr. 24. Richard III (Mäusi) kam am 30. Juni 1952 zur Welt. Die Wohnung Dillmannshof war im 1. OG. Im Haus wohnten im Erdgeschoß noch Flüchtlinge aus Berlin, die Fam. Müller (Blumengeschäft in Berlin Charlottenburg mit hochherrschaftlicher Kundschaft) mit den Töchtern Jutta, Karin und einem weißen Spitz (Hund). Die Familie Huber (Bahnbeamter) mit dem Sohn Fritz und der Tochter Mausi wohnten in zwei Zimmern rechts von der Treppe. Wir hatten im OG eine Wohnküche, das Elternschlafzimmer, das Kinderzimmer und ein „Drittes Zimmer“, als Abstellkammer.

Haus mit Garagen

Davor wohnten wir, im Sept. 1945 von Konstanz kommend, einige Wochen bei Klara Marschall auf dem Hof, bis unser Vater, die vorher von russischen Kriegsgefangenen bewohnte Wohnung, entwanzt und hergerichtet hatte. In der Küche gab es einen Esstisch mit Sitzbank und Stühlen, ein umgelegter Spind vom RAD-Gelände (= Reichs Arbeits Dienst der sein Gelände am Lagerwald hatte.) als Regal für das Geschirr und Vorräte, ein Schützstein mit Abfluss ins Freie, zwei Herde, darüber Wäschespinnen zum trocknen unserer Kleidung und Wäsche. Im Haushalt gab es einiges, das aus den Beständen des RAD stammte.

Haus mit Garten

Das Elternzimmer hatte ein breites Bett mit Holzvertäfelung, einen emaillierten schwarzen Ofen, ein umgelegten Spind (ebenfalls RAD). Heute steht dort der Hof von Maria und Georg. Außerdem gab es noch einen dunklen schmalen Schrank. Irgendwann gab es auch ein Radio.

Das Kinderzimmer war mit bis zu fünf Betten bestückt. Ich hatte ein weißes Kinder-Gitterbett mit klappbaren Seitenteilen. Angelica und Helga am Fenster ein Stockbett und Irina und Marion ein normales Bett. An Decken hatten wir dunkelgraue Decken, ebenfalls vom RAD. Außerdem gab es noch eine Kommode aus Konstanz (sie existiert heute noch bei Richard) – In der untersten Schublade hatte ich in Konstanz mein Bettchen – eine Bettkiste (die von Doemmingsche Bettkiste) aus Waldenburg vor dem Fenster und einen Ofen.

Schüssel aus der Zeit

Im sogenannten Dritten Zimmer, waren Koffer, die Schuhe und es war eine Abstellkammer, in der sich nachts Ratten und Mäuse jagten. Eine kleine Kammer zwischen Kinderzimmer und Dritten Zimmer war von Hubers belegt. Erst als diese auszogen wurde sie frei. Rechts neben der Kinderzimmertür gab es eine Treppe zum Dachspeicher, der durch eine Lukentür verschlossen war. Der Speicher war für uns Kinder immer unheimlich. Ebenso wie der Keller unterm Haus mit Zugang von der Schussenseite. Erst jetzt (2019) habe ich mir den Keller einmal genauer bei Licht (Taschenlampe) angesehen und auch Fotos gemacht.

Zwischen Küche und Elternschlafzimmer gab es das WC mit Ablauf durch die Speisekammer der Müllers. Das führte Anfangs zu Ärger, als unser Vater die Toilette einrichtete. Die heute noch existierende Treppe zum 1. OG war bei schlechtem Wetter ein beliebter Spielort. Außerdem konnte man das Treppengeländer runter rutschen. Fallen konnte man natürlich auch. Das passierte ab und zu.

Vor dem Haus zum Hof hin gab es einen Garten, der heute im selben Zuschnitt noch existiert. Er war durch Hubers und Müllers vereinnahmt. Als Müllers und Hubers ausgezogen waren, konnten wir in nutzen. Es gab in meiner Erinnerung herrliche Tomaten. Am Haus zur Schussenseite gab es die Garage für den Lastwagen, einem Magirus. Davor gab es seitlich eine ölverschmierte Grube zur Reparatur von Fahrzeugen von unten. Die Grube war offen und von Brennnesseln eingesäumt – ein natürlicher Schutz! Etwas weiter vom Haus, in Richtung zur Ziegelei, aber an der Böschung zur Schussen, stand ein Schuppen zum unterstellen von Gerätschaft.

Heute steht das Haus von Valentin dort. Zwischen diesem Schuppen und der Ziegelei führte der Weg in die Lehmgrube und zu einem Feld unten an der Schussen.

Zwischen dem Wohnhaus und dem Wäldchen rechts – in Richtung Schussenbrücke – trat der Bach, der durch das Hof-Wohnhaus führte, aus und floss in die Schussen. Dort war auch eine Pumpe zur Bewässerung der Felder installiert. Im Sommer war es für uns Kinder herrlich im Wasserstrahl zu spielen. Beim Heuen halfen wir manchmal mit und durften auf dem Wagen die Heuballen packen oder auf dem Traktor mitfahren. Die Pferde wurden zur Ernte auch eingesetzt.

Heuernte auf dem Dillmannshof 1948

Unser Vater hatte in einer Ecke bei den Birken am Lagerwald 1946 auch einen kleinen Gemüsegarten angelegt. Auf dem Weg dahin, vom Hof gesehen, gab es auf der rechten Seite einen einzelnen freistehenden Kirschbaum mit herrlichen schwarzen Kirschen. Beim Abzweig von der Hauptstraße gab es den Gravensteiner – und dahinter den Boskopbaum, gleich links neben dem Gemüsegarten vom Dillmannshof. Hinter der Kapelle gab es u.a. die ersten Äpfel des Jahres, die Klaräpfel. Dann gab es noch Nussbäume. Der Baum am Wohnhaus, bei der Kegelbahn, war tabu. Das waren die Nüsse von Oma. Hinter dem Stall, bei der Mistablage bzw. der Rampe zur Scheune gab es noch zwei Nussbäume. Obst gab es zur Erntezeit in Hülle und Fülle – besonders nach einem Gewitter.

In der Ziegelei wurde der Lehm über die Rampe in Loren hochgezogen und kam dann in eine Mischmaschine. Unten kamen die Ziegel fertig, aber noch weich und nass heraus. Sie wurden dann erst einmal luftgetrocknet und dann in einen großen Ringofen gepackt und gebrannt. Ich habe ab und zu geholfen. Dabei habe ich einmal das Zugseil der Rampe zu früh gestoppt und eine volle Lore sauste die Rampe herunter. Der Arbeiter unten, der die Loren an- und abhängte sprang laut schreiend vom Gleis weg. Dabei zerlegte sich die ganze Zugmaschinerie und die Teile flogen im ganzen Maschinenhaus herum. Von da an durfte ich nicht mehr in die Ziegelei.

Am Wochenende konnte man aber herrlich in der Lehmgrube spielen und mit den Loren fahren. Unsere Mutter war natürlich nicht begeistert, weil wir schmutzig wurden und wir kaum Wechselkleidung hatten.

Onkel Valentin nahm uns Kinder öfter auf Ziegeltouren im Lastwagen mit. Mit ihm war das immer sehr spaßig. Er war großzügig, trank aber auch viel mit Freunden und Bekannten und fuhr dann oft spät sturzbesoffen mit dem Lkw nach Hause. Einmal kaufte er ein Fang den Hut Spiel, das noch lange in einer Tischschublade in der Stube existierte. Marion war bei so einer Tour einmal mit und erzählte dann, wie Zembrod mit seinem Holzbein (Prothese) auf den Tisch schlug. Wie Onkel Valentin in dem Zustand überhaupt noch fahren konnte und nach Hause kam, ist mir heute noch ein Rätsel.

Für uns Kinder war die Zeit auf dem Dillmannshof eine schöne Zeit. Die Oma gab uns immer ihr selbstgebackenes Brot mit selbstgemachter Butter (Oma krieg ich bitte ein Brot!). Vor jedem Anschnitt eines Brots machte sie mit dem Messer drei Kreuze auf das Brot. Im Winter gab es Kartoffelsalat oder Pellkartoffeln. Im Herbst wurde gemostet und es gab Süßmost, der seitlich an der Mostpresse, neben dem Hauseingang, abgezapft werden konnte. Der Most wurde in große Fässer im Keller des Wohnhauses abgefüllt. Ein Bach floss durch den Keller des Wohnhauses und hielt ihn feucht und kühl. Im Haus gab es zwei Kühlkammern. Eine gegenüber dem Stubeneingang für Getränke und die andere in der Küche mit Zugang zwischen dem Arbeitstisch und dem langen Esstisch. In der Mitte der Küche war ein großer Herd mit Geländer, um den man ganz herumgehen konnte. Ab und zu wurde geschlachtet – vom Schwein bis zur Kuh. Es kam auch vor, dass die Pferde ausgerissen sind – das war dann immer eine Aufregung, besonders als einmal ein Pferd in die Jauchengrube beim Stall eingebrochen war. Onkel Franz stand bis zur Brust in der Jauche. Das Pferd wurde dann mit einem Flaschenzug rausgeholt.

Wir Kinder hatten Tanten (Resle, Maria Germana) und Onkel (Anton, Karl, Franz, Fridolin) die Uhls mit T. Pia und Eugen, Roswith, Jürgen, etwas später, als Nessenreben von O. Karl aufgegeben werden musste, lernten wir dann auch die Kinder von O. Karl und T. Pia (Nessenreben) Maria, Georg, Ludwig etwas später dann noch Ansgar, Hildegard und Winfried besser kennen und wir hatten natürlich die Oma, sehr fromm, streng, aber auch sehr gütig. Sie war die Seele des Hofes so lange sie lebte (Seegfrörni Februar 1963).

Schwierig war es mit dem Knecht Lenz, der uns öfter schikanierte und auch dem Mann von Maria, Josef Aicher, der mich Bibser nannte. In der Schule haben wir den Pfarrer Pflug und den Lehrer Bochtler gehabt. Pfarrer Pflug war allseits beliebt – er konnte zaubern. Vom Lehrer Bochtler konnte man das nicht sagen. Er mochte uns nicht und ich ihn auch nicht. Irina hatte dann noch den Lehrer Nussbaumer. Der hatte ihr ein Lineal, mit dem sie spielte weggenommen. Daraufhin sagte sie zu ihrer Nachbarin: Nussbaumer sei ein ausgewachsenes Rindvieh. Nussbaumer fragte Irinas Nachbarin, was Irina ihr gesagt habe und sie sagte es prompt Herrn Nussbaumer. Das war ein Skandal und ging wie ein Lauffeuer durch die ganzen Gemeinden.

Oberlehrer Nußbaum 1946

Mir hat der Spruch auch gut gefallen und ich habe ihn einmal Onkel Valentin zugerufen, als er mir die Ziegelei verboten hatte. Die Folge war, dass er mich noch auf der Haustreppe erwischte und mir eine Tracht Prügel verabreichte.

Wir kennen die Kinder von O. Valentin und T. Theresia mit Anton, Valentin, Maria und Eugen. Ebenso die Kinder von T. Germana mit Eugen, Edeltraud und Gisela.

Von Tante Maria haben wir (Irina und Hans-Rainer) beim Johannesfest 2017 auch Germana mit ihrem Mann kennen gelernt.

Der Tod von Onkel Anton im Sommer 1948 ist für mich ein eingeprägtes Ereignis gewesen. Wir hatten am Tag zuvor alle noch geheut und am nächsten Morgen,einem schönen und heißen Sommertag, hieß es, Anton ist tot. Ich war dann noch im Zimmer im 1OG. des Wohnhauses, wo er aufgebahrt war. Onkel Franz wurde sein Nachfolger auf dem Hof. Er war krank und verbittert aus der französischen Kriegsgefangenschaft zurück gekommen. Die Gefangenen wurden dort ganz schlecht behandelt und versorgt. Sie mussten, um zu überleben, sogar Gras essen. Er hatte auch einen Finger verloren (ob bei der Arbeit oder im Krieg, weiß ich nicht). Ich starrte als kleiner Bub einmal auf seine Hand mit den 4 Fingern, da hat er mich angeraunzt. Ihm fehlte die Leichtigkeit seiner Brüder. Später, als wir schon in Friedrichshafen wohnten, habe ich ihn aber noch als netten Onkel kennen gelernt. Er hat mich dann auch einmal zur Jagd nach Krähen oder Staren mit genommen.

In Summe macht das alles unsere starke Verbundenheit zum Dillmannshof aus, von dem ja unsere Großmutter als jüngstes Kind von Josef Anton und Franziska Gebhard kam. Wir haben unsere Großmutter leider nie kennen gelernt. Sie starb früh, bereits am 2. August 1931 im Alter von nur 51 Jahren in München.

Es gäbe aus meiner Erinnerung sicher noch Vieles zu erzählen, was wir auf dem Dillmannshof oder auch später bei unseren Besuchen erlebt und erfahren haben.

Eine der schönsten Erfahrung ist, dass wir dazu gehören – das spürt man bei jedem Besuch. Dafür herzlichen Dank an unsere Verwandtschaft Gebhard, besonders an Maria & Georg, Maria und Valentin.

Geschichte Ade:

Anton Albert Adé wurde Kaufmann, Arthur wurde Ingenieur. Anton und Arthur versuchten sich als Metallbauer und Eisenbahnbrücken-bauer, was in einem Desaster endete – die Eisenbahnbrücke brach zusammen. Ihr Vater half ihnen finanziell den Schaden zu begrenzen. Beide suchten sich dann vermögende Frauen – so die Erzählungen meiner Mutter. Anton unsere Großmutter Anna Louise Gebhard vom wohlhabenden Gutshof Dillmannshof und Arthur seine Frau Amanda aus Nordhausen, Tochter eines Schuhfabrikanten. Es waren keine Liebesheiraten. Die große Liebe unserer Großmutter war ein Lehrer aus der näheren Umgebung vom Dillmannshof. Den durfte sie nicht heiraten. Bei unseren Großeltern mütterlicherseits handelte es sich um keine glückliche Ehe. Das haben die Kinder alles mit bekommen. In München lebte die Familie Adé in der Graf Konrad Strasse 6.

Louise & Anton Adé

Die Jungens haben ihre Mutter schon relativ früh verloren – Helmut mit 16 Jahren und Lutz mit 18 Jahren. Sie starb im Schwabinger Krankenhaus im Beisein von Nina und Marlene. Der Vater heiratete nach dem Tod der Mutter (Mama – a lang gesprochen) Adolfine Charlotte Mohwinkel, geb. Breuer (frühere Sekretärin von Anton Ade).. Die Liaison mit Frau Mohwinkel dauerte bereits von Anfang der 20-ziger Jahre und war eine große Belastung für die Mutter und die Kinder.

Anton Adé und seine zweite Frau wohnten in der Amalien-Straße Nr. 34/I, wo beide am 19.04.1936 durch Gas den Freitod wählten. Lutz fand sie als Erster in der Wohnung. Anton war wirtschaftlich offensichtlich am Ende. Lutz und Helmut haben beim Vater gelebt und gingen in München zur Schule. Lutz studierte in Weihenstephan Landwirtschaft.

Anton war unstetig und nicht immer erfolgreich mit seinen Geschäften. T. Nina erzählte mir einmal, dass ihm zeitweise ganz München gehört hätte – na ja. Er ist mittellos gestorben. Onkel Arthur hatte ihm seine Hilfe dieses Mal verweigert, was er sich später zum Vorwurf machte. In den Patentregistern des Patentamts München ist ein Patent eines Bierzapfhahns registriert. Erfinder Anton Albert Adé.

Onkel Arthur war ein erfolgreicher Fabrikant in Waltershausen/ Thüringen und vermögend. Das Ade-Werk in Waltershausen wurde 1920 gegründet. 1945 wurde O.Arthur von den Kommunisten 1945 enteignet und zwar total (Firmen- und Privatvermögen). Nach langen Bemühungen sein Vermögen wieder frei zu bekommen floh er und seine Frau 1949 in den Westen zu seiner Schwester Crescentia Amalie in Lahr, die mit Josef Nothhelfer verheiratet war. Arthur baute in Offenburg wieder ein Unternehmen erfolgreich auf, das nach seinem Tod 1957 in München von seiner Frau Amanda weiter geführt wurde. Tante Amanda konnte es nicht, wurde aber auch betrogen und verlor so 1965 das Unternehmen an Fahr. Sie starb 1969 in Baden-Baden. Das Unternehmen in Offenburg (Ade-Werk) existieren noch, hat aber offensichtlich schon mehre Besitztumswechsel hinter sich und ist heute Spezialist für Hubzylinder. Das Ade Werk in Waltershausen existiert als Multicar GmbH ebenfalls noch. Das Unternehmen und auch das Privatvermögen in der ehemaligen DDR wurde nach der Wiedervereinigung von der Treuhand und den Behörden verschoben. Als Erbe über meine Mutter führte ich jahrelang Verfahren zur Rückübereignung, die allesamt erfolglos blieben. Das Werk in Waltershausen baute nach dem Krieg als VEB den Universal Kleintransporter Multicar und stellte weiterhin Anhängerkupplungen her. Es schaffte die Wende ganz erfolgreich, auch mit meiner Unterstützung als Unternehmensberater. Die Anhängerkupplungen (das originäre Produkt) wurden nach der Wende abgetrennt und gingen an die Fa.Rockinger/ München. Multicar wurde später von der Hako-Gruppe übernommen.

Onkel Arthur – Rudi – Amanda Adé (ca. 1915)

Onkel Arthur besuchte uns ab und zu in Friedrichshafen, auch gelegentlich der Internationalen Bodensee Messe in Fr`hafen und dann noch in München. Man traf sich im Café Rommelsbacher in Fr`hafen an der Uferpromenade oder er lud uns zum Essen ein. In München wohnte er immer im Hotel Schottenhamel. Außerdem liebte er seine Kuraufenthalte in Bad Gastein. Im Jahr seines Todes 1957 war er ebenfalls in Bad Gastein und wurde dort sehr krank. Er wurde nach München ins Rot Kreuz Krankenhaus gebracht und starb kurz darauf in der Klinik an einem sehr heißen Tag (so meine Erinnerung). Mit seiner Frau, der Tante Amalie hatten wir bis zu ihrem Tod in 1969 einen guten Kontakt. Sie schenkte mir zu meinem 18. Geburtstag einen Motorroller der Marke Vespa.

Über die Zeit vor 1940 weiß ich sehr wenig aus der Familiengeschichte meiner Mutter. Ab 1940 ist die Familiengeschichte Quaas-Adé sehr gut durch ihre Tagebücher dokumentiert. Über die Zeit vor 1940 hat meine Mutter nie gesprochen. Ich weiß nur, dass sie im 1. Weltkrieg in Lahr und auf dem Dillmannshof waren, dass sie ein Kindermädchen hatten, dass sie von Ravensburg nach Ulm und von dort nach München gezogen sind und dass Nina und Marlene in die Höhere Mädchenschule von Anna Roscher gingen und dass sie Mitglieder im Tennisclub Iphitos waren. Nach dem Tod der Mutter und der Heirat von Nina hat meine Mutter zeitweilig in Starnberg bei T.Nina und ihrem ersten Mann dem Dipl. Physiker Dr. Carlheinz Becker (Tochter Manon) gewohnt hat. Nina und ihr Mann zogen dann nach Berlin, wo Becker Tonmeister bei der UFA wurde. Nina nahm dort Ihre Schauspieltätigkeit auf und nannte sich mit Künstlernamen Nina Raven. Meine Mutter hat dann in Gießen eine kaufmännische Ausbildung gemacht. Sie wohnte in Giesen bei Verwandten oder Freunden. Als sie ihre kaufm. Ausbildung abgeschlossen hatte, zog sie nach Frankfurt und arbeitete bei Phillip Holzmann (großes Bauunternehmen, das um die Jahrtausendwende 2000 bankrott ging) als Sekretärin. Aus Frankfurt ist mir Mutti Resch und deren Sohn Alfred namentlich bekannt. Dort hat meine Mutter gewohnt und offensichtlich auch Gerd Hückmann, ihren ersten Mann, kennen gelernt. Sie haben 1935 geheiratet. Während des Krieges, so um 1944, hat Alfred Resch uns einmal in Babelsberg besucht und über die Kinderschar (vier an der Zahl, mit Helga fünf!) gestaunt. Richard III wurde ja erst 1952 geboren. Später (um 1938) war meine Mutter Vorführdame (heute als Model bezeichnet) und reiste dadurch quer durch ganz Deutschland bis Königsberg, Allenstein, Elbing und Danzig in Ostpreußen.

1939 hat meine Mutter unseren Vater bei einer Bewerbung als Sekretärin für das Reichs Film Archiv (RFA) kennen gelernt. Unser Vater war der Leiter des RFA, einer, dem Propagandaministerium (Leiter Dr. Goebbels) nachgeordneten Behörde (von 1938 bis Mai 1945) Sie lebte damals bereits von ihrem ersten Mann, Gerd Hückmann, dem Vater meiner Schwester Angelica, getrennt. Gerd Hückmann hatte in Costa Rica eine Farm gekauft und wollte dort hinziehen. Der Krieg kam dazwischen und er blieb dann in Deutschland. Nach dem Krieg zog er dann nach Costa Rica und bewirtschaftete seine Farm. Er war während des Kriegs auch mehrmals in Babelsberg und auch in Waldenburg (Wohnort der Eltern meines Vaters Richard Quaas) zu Besuch.

Seine Verwandten in Konstanz, der Landrat Dr. Fritz Kaufmann seine Frau Gertie – für uns Kinder Onkel Fritz und Tante Gertie, hatten mit uns über Angelica, die dort öfter zu Besuch war (Regelung aus dem Sorgerechtsstreit, der aber 1942 zugunsten unserer Mutter entschieden wurde), immer Kontakt. Im Februar 1945 konnten wir uns mit ihrer Hilfe von Babelsberg nach Konstanz absetzen. Die Familie verließ Berlin im Februar 1945 mit dem Zug nach Konstanz. Im Rückblick schildert unser Vater die Abreise vom Anhalter Bahnhof als wie zu Friedenszeiten. Man gab das Gepäck auf. Als unser Vater dann zwei Tage später dienstlich mit dem Zug nach München fuhr, war die Situation vollkommen anders. Die Züge waren übervoll und man konnte teilweise nur durch die Fenster ins Abteil gelangen. Kurz darauf muss der Prachtbahnhof Anhalter Bahnhof durch Fliegerangriffe zerstört worden sein. Unser Vater kam in der letzten Aprilwoche 1945 auf abenteuerliche Weise, kurz vor der Besetzung durch die Franzosen, in Konstanz an und die Familie war wieder komplett vereint, bis auf die Großmutter – unseres Vaters Mutter, seine Schwester Anni und Helga, geb. 21.11.1933 (Tochter aus 1. Ehe mit Erika, geb. Dieterle, gest. 1935), die in Waldenburg/Schlesien das Kriegsende am 8. Mai 1945 erleben mussten.

Meine Schwester Helga hat ihre damaligen Erlebnisse in Waldenburg zusammen geschrieben. Außerdem gibt es Briefe von Tante Anni nach Konstanz, die trotz Zensur durch Polen, ein Bild der damaligen Situation in Waldenburg geben. Unsere Familie hatte in Konstanz große Probleme eine Wohnung zu finden und schließlich auch kein Aufenthaltsrecht mehr. Außerdem war die Nahrungsmittelversorgung viel schlechter als in Berlin bis zu unserer Abreise im Februar 1945.

Dillmannshof – auf dem Traktor

Unsere Eltern nahmen Kontakt zur Verwandtschaft Gebhard im Dillmannshof auf. So kam es, dass wir im Herbst 1945 zuerst zu Marschalls (Hof der Schwester unserer Großmutter Anna Louise Gebhard) und dann nach dem Dillmannshof zogen. Unser Vater hat inzwischen eine Wohnung, in der russische Kriegsgefangene untergebracht waren, hergerichtet. Wir hatten dort eine Küche mit Spüle, zwei Kohleherde, einen umgelegten Wehrmachtsspind als Regal und einen Esstisch mit Stühlen und selbst gezimmerter Sitzbank. Über dem Küchenherd waren Wäschespinnen angebracht um die Wäsche zu trocknen.

Im Fußboden aus rohen Brettern gab es einen Spalt, in dem ab und zu kleine Spielsachen verschwanden, bis unser Vater ein Blech darüber nagelte. Dann das Elternschlafzimmer und das Kinderzimmer mit zeitweise fünf Betten für Helga, Angelica, Irina Marion und mich.

Außerdem hatten wir noch ein so genanntes „Drittes Zimmer“, das nicht bewohnbar war, in dem aber Schuhe und sonstige Sachen untergebracht waren. Außerdem lebten dort Ratten und Mäuse.

Wanzen gab es zu Beginn in der Wohnung auch, bis diese in mühsamer Arbeit durch Nadeln und Flitspritze ausgerottet wurden. Im Kinderzimmer gab es einen Ofen, eine Kommode (heute im Besitz von Richard III) ein Etagenbett, zwei Betten und mein Kindergitterbett. Als Vorhänge dienten Decken aus den Beständen des Reichs Arbeits Dienstes (RAD). Schränke brauchte man damals nicht bzw. kaum. Wir hatten ja nichts zum Aufhängen. Im Elternschlafzimmer gab es ebenfalls einen Ofen, ein Regal, auf dem ein Radio stand und sogar einen schmalen schwarzen Schrank. In diesem Zimmer wurde auch Weihnachten beschert. Helga wurde von den Polen im Frühjahr 1946 aus Waldenburg ausgewiesen. Sie kam zu uns über Umwege als 12- jährige nach Dillmannshof. Angelica wohnte bis zum Schulwechsel 1949 (höhere Schule) in der Familie in Dillmannshof und besuchte dort auch die Schule in Mariabrunn. 1949 zog Angelica dann wegen des Besuchs der höheren Schule zu Onkel Fritz und Tante Gertie nach Konstanz. In den Ferien (zumindest Weihnachtsferien) war sie immer bei uns.

Für unsere Eltern war das eine ganz schwierige Zeit. Es war ja fast alles in Babelsberg geblieben und man musste wirklich bei Null anfangen. Wir Kinder haben das nicht so gespürt und für uns war Dillmannshof eine glückliche Zeit. Unsere Cousine Merve und ihre Mutter Tante Ulli besuchten uns so um 1947 einmal. Unser Vater versuchte sich in verschiedenen Geschäften und Berufen, bis er um 1949 Reisender für den Revue-Verlag durch T. Ninas Hilfe wurde. Dann kam 1952 der Umzug nach Friedrichshafen und 1955 nach München. In Friedrichshafen arbeitete er für einen Zeitungsvertrieb von Herrn Freulin. Das Büro war am Stadtbahnhof. Hier kamen wir das erste Mal mit Micky Mouse Heftchen in Berührung. Freulin musste Personal sparen. Ein Mitarbeiter, dem unser Vater die Stelle verschafft hatte, bot sich an, die Arbeit allein zu machen. Dadurch wurde unser Vater entlassen. Er konnte dann für Erwin Käsemann, einem alten Freund, der in Oberaudorf wohnte arbeiten. Erwin Käsemann war der Erfinder des Polaroid Filters und der 3-D Brillen. Die US-Amerikaner stahlen ihm diese Patente als Kriegsbeute. Unser Vater hatte sein Büro in München in der Landwehrstrasse, bei einer Frau Schwanebeck. Bald darauf bekam unser Vater eine Stelle bei Arnold & Richter (ARRI) bekommen und war damit wieder in seinem eigentlichen Metier Film. August Arnold war ein guter Freund von ihm. In seiner Position als Filmbeauftragter und späterer Leiter des Reichsfilmarchives RFA im Propagandaministerium hat unser Vater ARRI den Weg für den späteren wirtschaftlichen Erfolg geebnet.